Leistungsverweigerung nach 10 Jahren – Warum du nicht automatisch sicher bist
Viele glauben, dass ihr Versicherungsvertrag nach zehn Jahren „unantastbar“ ist – selbst wenn sie bei Antragstellung ungenaue oder falsche Angaben gemacht haben. Doch diese Annahme kann gefährlich sein. In der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) und Privaten Krankenversicherung (PKV) gibt es durchaus Situationen, in denen Versicherer auch nach Ablauf der 10-Jahres-Frist Leistungen verweigern können. In diesem Beitrag erfährst du, warum das so ist, auf welche rechtlichen Grundlagen sich Versicherer berufen und wie du dich davor schützen kannst.
Die 10-Jahres-Frist: Was ist dran?
Grundsätzlich gibt es bei falschen oder unvollständigen Angaben in Gesundheitsfragen zwei wichtige Fristen:
- 5 Jahre: Nach § 21 VVG kann der Versicherer innerhalb von fünf Jahren vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag anpassen, wenn sich eine Anzeigepflichtverletzung herausstellt.
- 10 Jahre: Hat der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder arglistig falsche Angaben gemacht, kann der Versicherer den Vertrag bis zu zehn Jahre lang anfechten (§ 124 BGB, § 22 VVG).
Nach Ablauf dieser Fristen sind Anfechtung und Rücktritt normalerweise nicht mehr möglich. Doch das bedeutet nicht automatisch, dass du auf der sicheren Seite bist.
Warum Versicherer trotzdem Leistungen verweigern können
Selbst wenn eine Anfechtung nach zehn Jahren ausgeschlossen ist, gibt es weitere Strategien, mit denen Versicherer eine Zahlung verhindern können.
1. Einwand von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
Wenn sich ein Versicherter arglistig verhält und beispielsweise bewusst genau die zehn Jahre abwartet, um eine Anfechtung zu verhindern, kann das als Rechtsmissbrauch gewertet werden.
Ein bekanntes Beispiel:
- Ein Polizist verschwieg beim BU-Abschluss psychische Vorerkrankungen.
- Er meldete seinen Berufsunfähigkeitsfall genau nach zehn Jahren.
- Das Oberlandesgericht Braunschweig (Az. 11 U 316/21) entschied: Der Versicherer musste nicht zahlen, weil das Verhalten des Kunden als treuwidrig gewertet wurde.
Das zeigt: Auch nach zehn Jahren kann der Versicherer argumentieren, dass eine Leistung unfair wäre, wenn der Kunde sich bewusst unredlich verhalten hat.
2. Verstoß gegen vertragliche Obliegenheiten
In vielen Versicherungsverträgen gibt es Pflichten, an die du dich im Leistungsfall halten musst. Dazu gehören:
- Fristgerechte Meldung eines Leistungsfalls
- Mitwirkungspflichten, z. B. durch Vorlage von Arztberichten oder weiteren Informationen
Wenn ein Versicherter absichtlich zu lange wartet oder falsche Angaben macht, kann das als Obliegenheitsverletzung gewertet werden.
Das kann dazu führen, dass der Versicherer die Leistung komplett verweigert – auch nach zehn Jahren.
3. Argument der Kausalität
Ein weiterer Trick der Versicherer ist die Kausalitätsprüfung.
Sie argumentieren dann:
„Hätte der Kunde die wahre Vorerkrankung angegeben, hätten wir den Vertrag gar nicht erst abgeschlossen oder nur mit Ausschlüssen.“
Selbst wenn die Anfechtungsfrist abgelaufen ist, kann es sein, dass der Versicherer versucht, die Leistung mit dieser Begründung abzulehnen.
Gerade in der BU-Versicherung passiert das oft, wenn eine verschwiegene Krankheit exakt zur Berufsunfähigkeit geführt hat.
Die verschiedenen Arten des Verschuldens – und ihre Konsequenzen
Wie schwer eine falsche Angabe wiegt, hängt vom Verschuldensgrad ab. Hier gibt es vier Abstufungen – mit jeweils anderen rechtlichen Folgen.
1. Einfache Fahrlässigkeit – kein böser Wille, aber trotzdem riskant
Ein Kunde vergisst, dass er vor vier Jahren einmal wegen Rückenschmerzen beim Orthopäden war. Er hält das für unwichtig und gibt es in den Gesundheitsfragen nicht an.
- Folge: Der Versicherer kann den Vertrag anpassen (z. B. Rückenprobleme vom Schutz ausschließen) oder im schlimmsten Fall kündigen.
- Zeitliche Begrenzung: Nach 5 Jahren darf der Versicherer diese Korrektur nicht mehr verlangen.
2. Grobe Fahrlässigkeit – leichtsinnig gehandelt, aber nicht absichtlich getäuscht
Ein Antragsteller für eine Berufsunfähigkeitsversicherung hatte vor drei Jahren mehrere Psychotherapiesitzungen wegen Stress in der Arbeit. Er füllt den Antrag selbst aus und überliest die Frage nach „psychischen Erkrankungen oder Behandlungen“.
- Folge: Der Versicherer kann den Vertrag innerhalb der ersten fünf Jahre anpassen oder vom Vertrag zurücktreten.
- Nach 5 Jahren: Ein Rücktritt ist nicht mehr möglich, außer der Versicherungsfall ist vorher eingetreten.
3. Vorsatz – bewusste Falschangabe, aber keine gezielte Täuschung
Ein Antragsteller für eine private Krankenversicherung (PKV) hat eine Bluthochdruck-Diagnose und nimmt regelmäßig Medikamente. Er entscheidet sich bewusst, diese Information nicht anzugeben, weil er befürchtet, dass die Versicherung ihn ablehnt oder einen Risikozuschlag verlangt.
- Folge: Der Versicherer kann innerhalb von 10 Jahren zurücktreten.
- Nach 10 Jahren: Ein Rücktritt ist nicht mehr möglich, aber andere Strategien wie die Kausalitätsprüfung bleiben.
4. Arglist – bewusste Täuschung + gezielte Verschleierung
Ein Antragsteller für eine Berufsunfähigkeitsversicherung war mehrfach wegen schweren Depressionen und Suizidgedanken in Behandlung. Er gibt in der Gesundheitsprüfung bewusst falsche Antworten, streicht sogar eigene Arztberichte aus seiner Krankenakte und gibt auf Nachfrage falsche Informationen.
- Folge: Der Versicherer kann den Vertrag innerhalb von 10 Jahren anfechten, wodurch er rückwirkend als nichtig gilt.
- Nach 10 Jahren: Eine Anfechtung ist nicht mehr möglich – es sei denn, der Kunde hat die Frist bewusst ausgenutzt (siehe Treu-und-Glauben-Argument).
Praxisfälle: Wenn sich Versicherte zu sicher fühlen
Hier ein paar echte Fälle, die zeigen, dass du dich nicht blind auf die 10-Jahres-Regel verlassen solltest:
- BGH-Urteil zur Berufsunfähigkeitsversicherung (Az. IV ZR 277/14)
Ein Kunde hatte Parkinson verschwiegen.
Nach 10 Jahren war die Anfechtungsfrist abgelaufen, also musste die Versicherung leisten – ein Glücksfall für den Versicherten. - OLG Braunschweig (Az. 11 U 316/21)
Ein Kunde wartete gezielt genau 10 Jahre, bevor er seinen BU-Leistungsantrag stellte.
Gericht: Rechtsmissbrauch! Die Versicherung musste nicht zahlen. - Private Krankenversicherung (PKV-Fallbeispiel)
Ein Kunde hatte eine chronische Krankheit verschwiegen und jahrelang kaum Leistungen in Anspruch genommen.
Nach mehr als 10 Jahren wollte er eine teure Behandlung abrechnen.
Die Versicherung zahlte – weil kein Täuschungsnachweis mehr möglich war.
Diese Beispiele zeigen: Manchmal haben Kunden Glück, manchmal eben nicht.
Wie du dich schützen kannst
1. Ehrliche Angaben bei Antragstellung
Die beste Absicherung ist eine ehrliche Beantwortung der Gesundheitsfragen. Viele Probleme entstehen, weil Kunden aus Angst vor Ablehnung oder Zuschlägen unvollständige Angaben machen.
2. Anonyme Risikovoranfrage
Wenn du unsicher bist, ob du mit einer Erkrankung versicherbar bist, kannst du eine anonyme Risikovoranfrage nutzen. Dabei werden deine Gesundheitsdaten geprüft, ohne dass dein Name direkt bei den Versicherern auftaucht.
3. Fachliche Unterstützung einholen
Wenn du unsicher bist oder bereits Probleme mit deiner Versicherung hast, solltest du dir einen unabhängigen Experten an die Seite holen.
Ich berate dich dazu, prüfe deine individuelle Situation und zeige dir, welche Lösungen es gibt.
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