Berufsunfähigkeit im Ärzteversorgungswerk — viele Ärzte gehen davon aus, dass das eigene Versorgungswerk zuverlässig schützt. Die Realität ist etwas komplexer. Das Versorgungswerk bildet zwar eine solide Grundabsicherung, stellt aber hohe Hürden an den Leistungsfall. Gerade für spezialisierte Fachrichtungen können dadurch deutliche Lücken entstehen, die vielen erst bewusst werden, wenn man sich intensiver mit den Regeln des Versorgungswerks beschäftigt.
Im Folgenden siehst du, wie die Absicherung aufgebaut ist, wo die Grenzen liegen und warum die private Berufsunfähigkeitsversicherung für Ärzte in vielen Situationen unverzichtbar ist.
Wann leistet das Ärzteversorgungswerk bei Berufsunfähigkeit?
Damit das Versorgungswerk eine BU-Rente zahlt, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Diese unterscheiden sich deutlich von einer privaten BU. Die wichtigsten Punkte:
1. Es gilt die 100-Prozent-Regel
Das Versorgungswerk zahlt erst dann eine BU-Rente, wenn keine ärztliche Tätigkeit mehr möglich ist. Es reicht also nicht, wenn du deinen bisherigen Schwerpunkt nicht mehr ausüben kannst.
Entscheidend ist, ob du noch irgendeine ärztliche Tätigkeit ausüben könntest. Dazu zählen Verwaltung, Forschung, Gutachtertätigkeit, Beratung und Tätigkeiten ohne Patientenkontakt. Solange eine Form der ärztlichen Arbeit möglich wäre, liegt aus Sicht des Versorgungswerks keine Berufsunfähigkeit vor.
2. Die Beurteilung orientiert sich am „Arzt als Berufsbild“
Das Versorgungswerk schützt nicht deine Spezialisierung, sondern den Oberbegriff „Arzt“. Das bedeutet: Deine individuellen Tätigkeitsmerkmale spielen kaum eine Rolle.
Wenn du als Chirurg nicht mehr operieren kannst, aber noch gutachterlich arbeiten könntest, besteht kein Leistungsanspruch.
3. Die Leistung setzt meist eine dauerhafte Aufgabe des Berufs voraus
Die meisten Versorgungswerke verlangen, dass die ärztliche Tätigkeit vollständig und dauerhaft eingestellt wird. Je nach Versorgungswerk kann das bedeuten: vollständige Aufgabe der kurativen Tätigkeit, keine Tätigkeit mehr mit Approbation oder vollständiger Rückzug aus dem Berufsbild.
Die genaue Formulierung variiert, aber der Grundgedanke bleibt: Wer noch arbeiten kann, gilt nicht als berufsunfähig.
4. Keine Gesundheitsprüfung, aber auch keine individuelle Leistungsdefinition
Das Versorgungswerk prüft keine Vorerkrankungen, definiert den Leistungsfall aber strikt kollektiv. Es spielt keine Rolle, wie dein Berufsalltag tatsächlich aussieht – entscheidend ist die generelle ärztliche Berufsfähigkeit.
Wo die Absicherung ihre Grenzen hat
Die Struktur des Versorgungswerks bringt mehrere Nachteile mit sich, die vor allem in hochspezialisierten medizinischen Berufen relevant werden.
1. Schutz nur bei voller Berufsunfähigkeit
Bei Einschränkungen, die vor allem den bisherigen Fachbereich betreffen, entsteht schnell eine Lücke. Viele Erkrankungen führen nicht zu einem vollständigen Wegfall aller ärztlichen Tätigkeiten, sondern nur zu einem Verlust der Spezialisierung.
Typische Beispiele sind Einschränkungen der Feinmotorik, psychische Erkrankungen, die OP-Stress oder Schichtdienste unmöglich machen, oder chronische Leiden, die die Arbeitszeit reduzieren. All diese Fälle fallen beim Versorgungswerk oft nicht unter Berufsunfähigkeit.
2. Die BU-Rente ist oft niedriger als erwartet
Gerade junge Ärzte haben aufgrund kürzerer Beitragszeiten geringe Anwartschaften. Auch mit Zurechnungszeiten entsteht selten eine Rente, die das tatsächliche Einkommen annähernd ersetzt.
3. Interne Verweisung ist ein strukturelles Risiko
Dass du auf jede ärztliche Tätigkeit verwiesen werden kannst, ist der zentrale Unterschied zur privaten BU.
4. Berufsverbote sind kaum abgesichert
Behördlich angeordnete Berufsverbote, zum Beispiel nach dem Infektionsschutzgesetz, fallen in der Regel nicht unter die Leistungen des Versorgungswerks. Für bestimmte Fachrichtungen ist das ein relevantes Risiko.
Was eine private Berufsunfähigkeitsversicherung besser löst
Eine hochwertige private BU-Versicherung für Ärzte verfolgt eine andere Logik. Sie schützt nicht den Oberbegriff „Arzt“, sondern deine individuelle Tätigkeit.
1. Leistung schon ab 50 Prozent Berufsunfähigkeit
Die private BU zahlt, wenn du zu mindestens 50 Prozent deinen zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr ausüben kannst. Das ist eine deutlich niedrigere Schwelle als im Versorgungswerk.
2. Schutz deiner Spezialisierung
Moderne Arzttarife sichern ausdrücklich die spezifische Tätigkeit ab, die du zuletzt ausgeübt hast. Wenn du als Anästhesist nicht mehr im OP arbeiten kannst, wird genau diese Tätigkeit bewertet – nicht irgendeine andere ärztliche Aufgabe.
3. Verzicht auf Verweisung innerhalb des ärztlichen Berufs
Gute Arzttarife schließen aus, dass der Versicherer dich auf eine andere ärztliche Tätigkeit verweist. Damit entfällt der zentrale Nachteil des Versorgungswerks.
4. Infektionsklausel
Ein Berufsverbot nach Infektionsschutzgesetz löst in der privaten BU mit Infektionsklausel eine Leistung aus, selbst wenn keine klassische BU vorliegt.
5. AU-Klausel
Wenn du länger krankgeschrieben bist, zum Beispiel über sechs Monate, kann die BU bereits leisten. Das schließt die finanzielle Lücke während der BU-Prüfung.
6. Freie Wahl der Rentenhöhe
Du kannst die Rentenhöhe so wählen, dass dein Einkommen abgesichert wird – unabhängig von Satzungsregeln oder Anwartschaften.
Beispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Operativer Facharzt
Nach einem Unfall ist die Beweglichkeit einer Hand eingeschränkt. OP-Tätigkeit ist nicht mehr möglich, aber gutachterliche Arbeit schon. Das Versorgungswerk würde keine Leistung erbringen, während eine private BU bei guter Ausgestaltung höchstwahrscheinlich leisten würde.
Beispiel 2: Berufsverbot wegen Infektion
Eine Ärztin wird Trägerin einer meldepflichtigen Infektion. Die Behandlungstätigkeit wird untersagt. Das Versorgungswerk leistet in der Regel nicht. Eine BU mit Infektionsklausel dagegen schon.
Beispiel 3: Teilzeit nach Erkrankung
Ein Arzt kann gesundheitlich nur noch 20 statt 40 Stunden arbeiten. Das Versorgungswerk zahlt nicht, da weiterhin ärztliche Tätigkeit möglich ist. Eine private BU kann leisten, wenn der BU-Grad erreicht wird.
Was du bei der privaten BU als Arzt beachten solltest
- Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit muss klar abgesichert sein
- Verzicht auf konkrete Verweisung innerhalb des ärztlichen Berufs
- Leistung ab 50 Prozent Berufsunfähigkeit
- Infektionsklausel und AU-Klausel
- Flexibilität bei Teilzeit und Tätigkeitswechsel
- Nachversicherungsgarantien für Facharzt, Gehaltssteigerungen oder Niederlassung
- Bedingungen klar prüfen, nicht nur den Beitrag
Expertenberatung ist zwingend notwendig
Das Versorgungswerk bietet eine wichtige Grundabsicherung, ist aber kein vollwertiger Schutz. Die strengen Vorgaben – insbesondere die 100-Prozent-Hürde, die Verweisung auf andere ärztliche Tätigkeiten und das Fehlen von Spezialklauseln – führen dazu, dass viele Ärzte im BU-Fall schlechter abgesichert sind als gedacht.
Eine private BU ergänzt diese Basis sinnvoll und schützt genau das, was im Versorgungswerk nicht berücksichtigt wird: deine individuelle Tätigkeit, deine Spezialisierung und dein tatsächliches Einkommen.
Wenn du deine Absicherung wirklich verstehen und sauber aufstellen möchtest, solltest du beide Systeme gemeinsam betrachten. Sie sind keine Alternativen, sondern Bausteine, die erst zusammen einen sinnvollen Schutz ergeben.
Eine saubere Absicherung setzt voraus, dass du einen BU-Vertrag wählst, der exakt zu deiner ärztlichen Tätigkeit passt. Die Feinheiten liegen oft in Formulierungen, die später entscheidend darüber bestimmen, ob ein Versicherer zahlt oder nicht. Genau hier lohnt sich eine Beratung, die sich mit diesen Themen täglich beschäftigt. Wenn du möchtest, unterstütze ich dich dabei, deine aktuelle Situation einzuordnen, bestehende Risiken sichtbar zu machen und eine Lösung zu finden, die fachlich sauber ist und zu deinem Berufsalltag passt. Meine Beratung findet vollständig digital statt, ist verständlich aufgebaut und richtet sich besonders an Menschen (meist Akademiker und sog. Gutverdiener), die Wert auf klare Entscheidungen legen. Wenn du das Thema strukturiert angehen möchtest, melde dich gerne bei mir.



