Ich bin kein grundsätzlicher Gegner von Kryptowährungen. Die Idee dezentraler Systeme hat Innovationspotenzial, und technologische Entwicklungen wie die Blockchain könnten langfristig wichtige Anwendungsfelder erschließen.
Trotzdem sehe ich in der Praxis immer wieder, wie Menschen erhebliche Summen in Bitcoin und andere Kryptowährungen investieren, ohne sich mit den grundlegenden Unterschieden zwischen Spekulation und Investition auseinanderzusetzen. Besonders gefährlich wird es, wenn solche Investments als Ersatz für langfristige Vermögensstrategien dienen.
In diesem Beitrag geht es nicht um pauschale Ablehnung, sondern um eine nüchterne Analyse, die aufzeigt, warum Kryptowährungen nach heutigen Maßstäben keine substanzbasierte Geldanlage darstellen – und welche Alternativen es gibt.
Was eine Investition ausmacht
Nach klassischer Definition – etwa durch Benjamin Graham – ist eine Investition eine Kapitalverwendung, die auf fundierter Analyse basiert, einen gewissen Werterhalt ermöglicht und eine angemessene Rendite erwarten lässt.
Typische Merkmale einer Investition:
- Bewertbarkeit auf Basis von Substanz oder Zahlungsströmen
- Erwartbare Erträge (z. B. Dividenden, Zinsen, Mieten)
- Nachvollziehbare Risiko-Rendite-Relation
- Erprobung in unterschiedlichen Marktphasen
Diese Merkmale lassen sich auf Kryptowährungen nicht übertragen.
Warum Kryptowährungen keine Investitionen im klassischen Sinne sind
Kein innerer Wert
Der innere Wert eines Vermögenswerts ergibt sich in der Regel aus realen Zahlungsströmen oder wirtschaftlicher Nutzung. Eine Aktie repräsentiert einen Anteil an einem Unternehmen mit Umsätzen, Gewinnen und Vermögenswerten. Immobilien liefern Mieteinnahmen. Anleihen zahlen Zinsen.
Kryptowährungen wie Bitcoin erzeugen weder laufende Erträge noch basieren sie auf realwirtschaftlicher Substanz. Es gibt keine Bewertung über zukünftige Cashflows, kein Geschäftsmodell, keine Unternehmenskennzahlen.
Der Marktpreis entsteht rein durch Angebot und Nachfrage – ohne ökonomisches Fundament.
Keine Kapitalsicherheit
Während Aktien durch reale Unternehmenswerte abgesichert sind (zumindest teilweise), existiert bei Kryptowährungen kein Preisboden. Fällt das Vertrauen, kann der Kurs theoretisch gegen null gehen. Es gibt keine Rückflussmechanismen, keine Einlagensicherung, keine Insolvenzmasse.
Keine kalkulierbare Rendite
Kryptowährungen versprechen keine regelmäßigen Erträge. Die Hoffnung auf Gewinn basiert allein auf zukünftigen Kurssteigerungen. Das ist Spekulation, keine Investition.
Preis ≠ Wert
Ein häufiger Irrtum besteht darin, den hohen Marktpreis von Bitcoin als Beweis für seinen inneren Wert zu sehen. Doch Preis und Wert sind nicht dasselbe.
Ein Preis ergibt sich aus dem aktuellen Kräfteverhältnis von Angebot und Nachfrage – er kann hoch sein, ohne dass ein ökonomischer Nutzen vorliegt. Das gilt auch für Sammlerstücke, Tulpen im 17. Jahrhundert oder spekulative Kunst.
Ein innerer Wert dagegen entsteht durch:
- reale Nutzung (z. B. als Rohstoff oder Zahlungsmittel),
- regelmäßige Erträge (z. B. Dividenden, Mieteinnahmen),
- oder Substanzwerte (z. B. Eigentum, Maschinen, Patente).
Kryptowährungen bieten das bislang nicht.
Subjektiver vs. objektiver Wert
Befürworter verweisen oft auf die subjektive Werttheorie: Ein Gut ist so viel wert, wie jemand bereit ist zu zahlen. Das ist marktwirtschaftlich nicht falsch, erklärt aber keine Anlagequalität im finanzwissenschaftlichen Sinne.
Für eine fundierte Geldanlage ist ein objektivierbarer innerer Wert entscheidend – sonst basiert die Kaufentscheidung rein auf Spekulation.
Energieaufwand ist kein Wertersatz
Ein weiteres Argument lautet: Bitcoin sei wertvoll, weil seine Herstellung (Mining) energieintensiv ist. Diese Annahme greift zu kurz.
Hoher Aufwand allein erzeugt keinen ökonomischen Wert, wenn dem Aufwand kein realer Nutzen gegenübersteht. Ein aufwendig hergestellter Gegenstand bleibt wertlos, wenn niemand ihn braucht.
Die Rechenleistung beim Mining schafft keine realen Güter oder Erträge – sie sichert lediglich die Struktur des Netzwerks. Das ist für das System relevant, aber für Investoren kein substanzieller Wertanker.
Psychologische Effekte verstärken Fehlentscheidungen
Kryptowährungen sind nicht nur technisch komplex, sondern auch emotional aufgeladen. Typische Verhaltensmuster vieler Anleger:
- Overconfidence: “Ich weiß, wann ich ein- und aussteige.”
- FOMO (Fear of Missing Out): “Ich darf den nächsten Hype nicht verpassen.”
- Herdentrieb: “Alle investieren, ich sollte es auch tun.”
- Confirmation Bias: “Ich suche gezielt nach Argumenten für meine Meinung.”
Hinzu kommen Social-Media-Effekte, fragwürdige Expertenmeinungen und mediale Übertreibungen. Die Folge: irrationale Entscheidungen, die mit Investieren nichts zu tun haben.
Warum der Vergleich mit Gold nicht trägt
Bitcoin wird oft als “digitales Gold” bezeichnet. Der Vergleich hinkt in mehrfacher Hinsicht:
- Gold hat reale industrielle Nachfrage (z. B. in Elektronik und Schmuck).
- Gold ist physisch existent und unabhängig von Technik.
- Gold verfügt über eine jahrtausendealte Geschichte als Wertspeicher.
- Gold ist deutlich weniger volatil.
Bitcoin hingegen ist bislang ein hochvolatiles digitales Gut, das sich erst noch als stabiler Wertspeicher beweisen müsste. Allein die begrenzte Menge (21 Millionen Coins) reicht dafür nicht aus. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: auch Gold halte ich nicht für die Vermögensanlage oder Altersvorsorge geeignet — aber das ist ein anderes Thema.
Kein Härtetest bestanden
Ein zentraler Unterschied zwischen Aktien und Kryptowährungen ist die Historie und empirische Belastbarkeit.
Aktienmärkte wurden getestet
Globale Aktienmärkte haben über mehr als 100 Jahre hinweg verschiedenste Krisen durchlaufen: Weltkriege, Hyperinflation, Weltwirtschaftskrise, Ölkrise, Finanzkrisen. Die Rückschläge waren massiv – aber die Erholung kam immer wieder. Und mit ihr langfristiges Wachstum.
Diese Erfahrungsbasis erlaubt fundierte Einschätzungen über Risiko, Ertrag und Verhalten in Extremphasen.
Kryptowährungen haben keine Historie
Bitcoin existiert seit rund 15 Jahren. Die meiste Zeit davon in einem Umfeld von Niedrigzinsen, Liquiditätsflut und Digitalisierungseuphorie. Es gibt keine Langfristerfahrung, kein Verhalten über mehrere Zyklen hinweg, keine Bewährungsprobe in realen Schocks wie Krieg, Zinswenden oder globalen Systemkrisen.
Finanzwissenschaft braucht aber genau diese Daten, um Anlagestrategien zu bewerten.
Alternative: Globale Aktienmärkte über ETFs
Statt auf spekulative Preisbewegungen zu setzen, bietet ein breit gestreutes Investment in Aktien eine fundierte Alternative – etwa über kostengünstige ETFs.
Vorteile:
- Beteiligung an realen Unternehmen mit echten Geschäftsmodellen
- Laufende Erträge durch Dividenden
- Langfristig positive Entwicklung trotz Rückschlägen
- Hohe Liquidität und Regulierung
- Belastbare Erfahrungswerte aus über 100 Jahren Kapitalmarktgeschichte
Wer regelmäßig in breit gestreute Welt-ETFs investiert, nutzt die globale Wirtschaftskraft zur Vermögensbildung – und setzt nicht alles auf eine ungewisse Technologie.
Mein Zwischenfazit
Kryptowährungen können ein interessantes technisches Konzept sein. Sie mögen in Zukunft bestimmte Funktionen übernehmen – als digitales Zahlungsmittel, als Nischeninvestment oder als spekulatives Asset.
Aber eine fundierte Investition sind sie nicht.
Sie bieten keine laufenden Erträge, keine reale Substanz, keine Historie, keine planbare Rendite. Wer hier investiert, spekuliert – und sollte sich darüber im Klaren sein.
Die bessere Alternative liegt oft näher, als man denkt:
Breit gestreute Aktieninvestments über ETFs – wissenschaftlich fundiert, historisch erprobt und nachvollziehbar in ihrer Wirkung.
Altersvorsorge: ETF-Policen als durchdachte Lösung
Wenn es um langfristige Vermögensplanung und Altersvorsorge geht, setze ich in der Praxis häufig auf ETF-basierte Rentenversicherungen. Sie kombinieren die Vorteile breit gestreuter Aktieninvestments mit den spezifischen steuerlichen und rechtlichen Vorteilen von Versicherungslösungen.
Ein paar Gründe dafür:
- Steuervorteile in der Auszahlungsphase (z. B. Halbeinkünfteverfahren oder Steuerstundung je nach Vertragsform)
- Automatische Wiederanlage ohne Abgeltungssteuer
- Flexibilität bei Auszahlung und Gestaltung (z. B. Kapital vs. Rente)
- Möglichkeit zur staatlichen Förderung – etwa:
- über die Basisrente (Rürup) für Selbstständige und Gutverdiener
- über die betriebliche Altersvorsorge mit Steuer- und Sozialabgabenersparnis
- über die Riesterrente, wenn die Voraussetzungen passen
All das auf Basis von kostengünstigen Indexfonds, ohne klassische Versicherungsprodukte mit intransparenten Kosten oder Garantielasten.
Für viele Mandanten ist das eine pragmatische Möglichkeit, langfristig Vermögen aufzubauen, ohne in spekulative oder unausgereifte Anlageformen ausweichen zu müssen.
Wenn du wissen willst, welche Lösung zu deiner Situation passt, lässt sich das im Rahmen einer individuellen Beratung klären. Hierfür kannst du gerne einen Kennenlerntermin buchen.