Patientenverfügung – was sie regelt, wann sie gilt und warum du sie nicht aufschieben solltest
Manche Entscheidungen trifft niemand gerne. Etwa die, was mit dir passieren soll, wenn du im Koma liegst, nicht mehr selbst sprechen kannst und völlig von anderen abhängig bist. Willst du in einem solchen Fall künstlich ernährt oder beatmet werden? Möchtest du lebenserhaltende Maßnahmen, auch wenn keine Aussicht auf Heilung besteht?
Genau diese Fragen klärt die Patientenverfügung. Und das Gute ist: Du musst sie nur einmal durchdenken – und dann ist sie im Notfall Gold wert.
Denn wenn du dich selbst nicht mehr äußern kannst, brauchst du jemanden, der für dich spricht. Am besten: Du selbst. In Form einer klar formulierten, schriftlichen Verfügung.
Was ist eine Patientenverfügung?
Die Patientenverfügung ist eine schriftliche Erklärung deines Willens für den Fall, dass du nicht mehr einwilligungsfähig bist. Du bestimmst darin im Voraus, welche medizinischen Maßnahmen du in bestimmten Situationen wünschst oder ablehnst – zum Beispiel, wenn du im Koma liegst oder dich im Sterbeprozess befindest.
Seit dem 1. Januar 2023 ist die Patientenverfügung in § 1827 BGB geregelt (bis 2022 war es § 1901a BGB). Die gesetzliche Grundlage lautet:
§ 1827 Abs. 1 BGB:
„Hat ein einwilligungsunfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe schriftlich festgelegt, ob er in diese Maßnahmen einwilligt oder sie untersagt, so prüft der Bevollmächtigte oder Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.“
Kurz gesagt: Was du in der Patientenverfügung geregelt hast, gilt – sofern die Situation passt und du zum Zeitpunkt der Erstellung volljährig und einwilligungsfähig warst.
Wann kommt eine Patientenverfügung zum Einsatz?
Eine Patientenverfügung wird nicht bei jeder Erkrankung automatisch wirksam. Sie gilt nur dann, wenn alle folgenden Punkte erfüllt sind:
Voraussetzungen für die Gültigkeit
- Du bist volljährig und hattest bei Erstellung der Verfügung die nötige Einsichtsfähigkeit.
- Du kannst aktuell nicht mehr selbst entscheiden oder kommunizieren – z. B. im Koma, nach einem schweren Unfall oder in weit fortgeschrittener Demenz.
- Es liegt eine medizinisch ernste Situation vor – etwa:
- eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit
- der Sterbeprozess
- eine dauerhafte Bewusstlosigkeit ohne Aussicht auf Besserung
- Zwei Ärzte müssen unabhängig voneinander bestätigen, dass die Situation den Festlegungen in deiner Verfügung entspricht.
In akuten Notfällen – etwa nach einem Herzstillstand – wird zunächst lebensrettend gehandelt. Die Patientenverfügung wird erst relevant, wenn feststeht, dass eine Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben nicht mehr möglich ist.
Was kannst du in einer Patientenverfügung konkret regeln?
In einer Patientenverfügung kannst du genau festlegen, welche Maßnahmen du dir in bestimmten Situationen wünschst oder ablehnst. Dazu zählen etwa:
- Künstliche Ernährung oder Flüssigkeitszufuhr
- Beatmung (z. B. bei dauerhaftem Koma)
- Wiederbelebung (z. B. nach Herzstillstand)
- Dialyse bei Nierenversagen
- Gabe von Antibiotika oder anderen Medikamenten
- Schmerz- und Sedierungsmaßnahmen im Sterbeprozess
- Wunsch nach Versorgung im Hospiz oder zu Hause
- Organspende, ergänzend zur Eintragung im Organspende-Register
Wichtig ist: Deine Festlegungen müssen konkret und verständlich sein. Allgemeine Aussagen wie „Ich möchte in Würde sterben“ oder „keine unnötige Verlängerung meines Lebens“ sind nicht ausreichend. Es braucht klare Aussagen zu konkreten medizinischen Maßnahmen.
Patientenverfügung — Beispiel aus der Praxis
Ein Ehepaar, beide Anfang 60. Der Ehemann wird bei einem Fahrradunfall schwer verletzt, fällt ins Koma. Die Ärzte erklären, dass keine Aussicht auf eine Rückkehr ins Bewusstsein besteht. Die Ehefrau ist sicher: „Er hätte das nicht gewollt.“
Doch es gibt keine Patientenverfügung. Keine Vollmacht. Die Klinik muss einen rechtlichen Betreuer einschalten. Die Eltern des Mannes bestehen auf „alle Maßnahmen ausschöpfen“. Es kommt zu einem langwierigen gerichtlichen Verfahren.
Am Ende entscheidet das Gericht. Nicht der Wunsch des Patienten, sondern der formale Ablauf regelt das weitere Vorgehen. Und die Familie? Zerstritten.
Wer setzt die Patientenverfügung durch?
Die Patientenverfügung allein bestimmt noch nicht, wer für dich sprechen darf. Dafür brauchst du zusätzlich eine Vorsorgevollmacht. In ihr bestimmst du eine oder mehrere Vertrauenspersonen, die deine Verfügung durchsetzen dürfen – etwa gegenüber Ärzten, Kliniken oder Pflegeeinrichtungen.
Ohne Vollmacht kann es sein, dass ein Betreuungsgericht einen völlig fremden Betreuer bestellt.
Die Kombination aus Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ist daher in der Praxis entscheidend.
Häufige Irrtümer zur Patientenverfügung
„Mein Partner darf doch sowieso entscheiden.“
Nein. Es gibt keine automatische Vertretungsbefugnis in medizinischen Fragen – auch nicht unter Ehepartnern oder engen Angehörigen.
„Ich bin noch jung – das brauche ich später.“
Leider nein. Ein Unfall oder plötzliche Erkrankung kann jeden jederzeit treffen. Gerade jüngere Menschen vergessen oft, dass sie rechtlich genauso betroffen wären.
„Ich hab ein Formular aus dem Internet.“
Viele Vorlagen sind zu ungenau, zu allgemein oder veraltet. Und: Wer haftet für den Inhalt? Niemand – außer dir.
Form und Gültigkeit der Patientenverfügung
Damit eine Patientenverfügung rechtlich verbindlich ist, braucht sie:
- Schriftform (Computer, handschriftlich oder Formular – alles zulässig)
- Eigenhändige Unterschrift
- Klar erkennbare medizinische Situationen
- Konkrete Regelungen zu einzelnen Maßnahmen
- Ein Datum und idealerweise einen Hinweis auf Aktualität
Ein Notar ist nicht notwendig, kann aber in bestimmten Fällen sinnvoll sein – etwa zur zusätzlichen Glaubhaftmachung.
Wie aktuell muss eine Patientenverfügung sein?
Rein rechtlich gilt: Eine gültige Patientenverfügung bleibt unbegrenzt wirksam, bis sie widerrufen oder ersetzt wird. Aber: Es ist ratsam, die Verfügung alle 2–3 Jahre zu überprüfen, gerade bei:
- gesundheitlichen Veränderungen,
- familiären Umbrüchen,
- Umzügen ins Ausland oder
- bei medizinischem Fortschritt.
Ein einfacher Zusatz wie „Ich habe die Verfügung am XX.XX.20XX überprüft und halte sie weiterhin für richtig. Unterschrift.“ reicht meist aus.
Wo soll die Patientenverfügung aufbewahrt werden?
Wichtig ist nicht nur, dass du eine Patientenverfügung erstellt hast – sondern dass sie im Ernstfall auch schnell greifbar ist. Das ist entscheidender als man denkt, denn im Notfall zählt oft jede Minute.
Die häufig empfohlene Registrierung beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (www.vorsorgeregister.de) kann in bestimmten Fällen hilfreich sein – etwa, wenn ein Gericht prüfen muss, ob eine Betreuung notwendig ist. Das Register ist allerdings kein Ablageort für die Verfügung selbst, sondern vermerkt nur, dass eine existiert, wer bevollmächtigt ist und wo das Dokument aufbewahrt wird.
Was viele nicht wissen: Ärzte, Kliniken oder Rettungsdienste haben keinen Zugriff auf dieses Register. Nur Betreuungsgerichte können es einsehen – und auch das nur dann, wenn ein formelles Verfahren eingeleitet wird. In der Praxis geschieht das oft Tage oder Wochen nach einem Notfall, nicht in den ersten Stunden oder gar Minuten. Für akute Entscheidungen – etwa zur Wiederbelebung oder zu lebenserhaltenden Maßnahmen – ist das Vorsorgeregister daher kaum relevant.
Umso wichtiger ist es, dass die Patientenverfügung für Bevollmächtigte gut zugänglich ist: idealerweise als digitale Kopie, ergänzt durch eine Notfallkarte im Geldbeutel oder eine App-Lösung. Auch Hausärzte oder enge Familienangehörige sollten wissen, wo die Originale liegen.
So helfe ich meinen Mandanten
Als Versicherungsmakler mit einem ganzheitlichen Beratungsansatz spreche ich solche Themen bewusst an – auch wenn sie nicht zu den klassischen Versicherungsfragen gehören. Denn sie betreffen das Risikomanagement auf persönlicher Ebene, genauso wie eine Berufsunfähigkeitsversicherung oder die private Altersvorsorge. Ich selbst darf natürlich keine rechtlichen Dokumente erstellen – aber ich arbeite mit erfahrenen Kooperationspartnern wie spezialisierten Dienstleistern, Anwälten oder Notaren zusammen und kann den Kontakt für dich unkompliziert herstellen. Wichtig ist, dass du wichtige Dokumente wie die Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Sorgerechtsverfügung etc. erstellen lässt und es nicht vergisst. Mein Ziel ist, dass du in allen Lebensbereichen gut aufgestellt bist – nicht nur versicherungstechnisch, sondern auch in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht.
Fazit
Eine Patientenverfügung ist kein Luxus, sondern ein klarer Ausdruck deiner Selbstbestimmung. Sie regelt deinen Willen für eine Zeit, in der du nicht mehr selbst sprechen kannst – und sie schützt deine Angehörigen davor, schwierige Entscheidungen allein treffen zu müssen.
Mit wenigen Seiten Papier kannst du dafür sorgen, dass dein Wille zählt – medizinisch, menschlich und rechtlich.
Du kannst nicht kontrollieren, was passiert. Aber du kannst festlegen, wie damit umgegangen wird.